Edvard Munch: Archetypes

Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid, 6. Oktober 2015 bis 17 Januar 2016

Der Tod und das Leben liegen in der Sonderausstellung Arquetipos mit Gemälden Edvard Munchs in der Madrider Sammlung Thyssen-Bornemisza eng beieinander und bleiben dennoch strikt voneinander getrennt durch eine undurchdringliche Stellwand, die Teil eines thematisch streng durchgetakteten Parcours, eines regelrechten Labyrinths durch Freud und Leid sind.
Tatsächlich scheinen die meisten von Munchs Gemälden das völlige Gegenteil dessen zu praktizieren. Die skizzenhafte Malweise, die die Farben regelrecht ineinanderquirlt, sorgt für eine buchstäbliche Vermischung von Vorder- und Hintergrund, aber auch zu einer alles erfassenden Stimmung bzw. Emotion: Die roten Augenringe der Frau am rechten Rand in Death Struggle (1915) kehren wieder in einem musterhaft aus roten rötelartigen Ringen gebildeten Hintergrund, und sogar die mit abgedruckte Maserung des Holzes in Panic in Oslo durchschneidet mehrfach waagrecht die auf dem Blatt abgebildeten Personen.
In einigen Bildern kann der Blick in einzelne gemalte Partien wie in farbige Löcher fallen, so etwa in der Frisur der männlichen Figur in Ashes (1925) oder im Bauch des Mannes in Eifersucht (1913).
In The Women at the shore (1933–35) betrachten wir einen hellgelben Lichtreflex auf strahlend blauer Wasserfläche, die nahtlos, ohne trennende Kontur, mit dem Horizont verschmilzt und dem Bild etwas Schwebendes verleiht. Gleichzeitig glaubt man beinahe, in der weit nach unten gezogenen Form der sich spiegelnden Sonne die Silhouette eines Menschen zu erkennen, eines dritten menschlichen Wesens im Bild, das die Einsamkeit der beiden klar als Figuren definierten Gestalten umso mehr hervortreten lässt.

Viele Motive wiederholen sich bzw. finden sich in die Gemälde vorbereitenden Drucken wieder. So werden im Raum zur Ausstellungssektion „Archetyp Krankheit“ auch zwei Lithografien mit dem Titel Das Kranke Kind (beide 1885/86), in denen bereits die rote Färbung – als Druckfarbe oder Nachkolorierung – auftaucht, die im später entstandenen Ölgemälde überdeutlich das glühende Fiebern des Kindes verkörpert. Ausgehend von der linken unteren Bildecke, wo es ein aus flammend sich kräuselnden Pinselstrichen gebautes Möbelstück tönt, droht es auf die rechte, in mattem Dunkelgrün gehaltene Bildhälfte überzuspringen. Dort kniet eine sorgenvolle ältere Frau am Bett des Kindes, ergreift dessen Hand, den Kopf bereits trauernd zu Boden geneigt. Der Bewegungszug zum Boden hin wh. sich in den dicht gesetzten senkrechten Pinselstrichen, die die rechte Bildhälfte in eine Art Vorhang verwandeln. Wie einzelne Textilfasern, die ebenso mit Regenfäden zu assoziieren sind, hat Munch die Farbmaterie zu einem Gewebe gefügt, das den Blick sowohl abschirmt als auch suchend in die Tiefe gehen lässt, und dabei das fiebrige Feuer doch weder zu löschen noch zu ersticken vermag.


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